Ev. Kirche Nack

Eine Hörprobe des Geläuts mit Beschreibung der Glocken unter
www.youtube.com/watch?v=xzbec-FRt2E

 

Die Geschichte der Evangelischen Kirche in Nack

Bis zum Jahre 1821 bildeten Erbes-Büdesheim und Nack ein Gemeinwesen. Erst im Jahre 1822 wurde Nack zu einer selbständigen kommunalen Gemeinde. Auch die ev.-reformierten Christen in Nack wurden von Erbes-Büdesheim aus betreut, in den Jahren 1697 – 1824 gar von Ensheim aus.
Ein Kirchengebäude gab es zur damaligen Zeit in Nack nicht.

Die Konfessionsvereinigung in Rheinhessen im Jahre 1822 zwischen Reformierten und Lutheranern hatte auch eine Neueinteilung der nunmehr „evangelischen“ Pfarreien und Gemeinden zur Folge: Die reformierte Gemeinde Erbes-Büdesheim mit ihrem Filial Nack wurde von der pfarramtlichen Verbindung zu Ensheim nach 127 Jahren getrennt. Die jetzt ev. Gemeinden Erbes-Büdesheim und Nack gehörten fortan zur neugegründeten ev. Pfarrei Wendelsheim. Zwischen reformierten und lutherischen Christen wurde strukturell nicht mehr unterschieden, jedoch wurden jeweils reformierte bzw. vorherrschende lutherische Traditionen noch weit in das 19. Jahrhundert hinein gepflegt; z.B. war das reformierte Gesangbuch noch im Jahre 1839 in Erbes-Büdesheim sowie in Nack in Gebrauch, während im ehemals lutherisch geprägten Wendelsheim schon längst aus dem großherzoglich-hessische Gesangbuch gesungen wurde.

In den folgenden Jahrzehnten wurde an dieser Struktur der Pfarrei Wendelsheim mit den drei Kirchengemeinden Wendelsheim, Erbes-Büdesheim und Nack nichts verändert.

Erst im Zuge einer Neueinteilung der Dekanate in der Propstei Rheinhessen wurde die Ev. Kirchengemeinde Nack im Herbst 1975 aus der Ev. Pfarrei Wendelsheim ausgegliedert und der Ev. Pfarrei Nieder-Wiesen zugeordnet.


Der Bau der Evangelischen Kirche

Der Bau der Ev. Kirche in Nack geht zurück auf das Jahr 1903. Bis dahin besuchten die ev. Einwohner aus Nack die Gottesdienste in Wendelsheim oder in Erbes-Büdesheim. Bereits vor der Jahrhundertwende war allerdings innerhalb der Gemeinde der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus lebendig geworden. So wurden bereits im Januar 1892 Verhandlungen mit dem Großherzoglichen Kreisamt in Alzey zur Genehmigung einer Sammlung unter den evangelischen Einwohnern zur Erbauung einer Kirche geführt. Jedoch erst am 31. Januar 1898 wurde der Kirchenbau vom Kirchenvorstand und der Gemeindevertretung beschlossen. Nach dem Beschluss vergingen immerhin noch einige Jahre, bis dann am 15. Dezember 1902 das Großherzogliche Oberkonsistorium in Darmstadt die endgültige Baugenehmigung erteilte. Mit der Ausfertigung eines Planes wurde Kreisbauinspektor Eduard Heinrich Langgässer (Vater der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer) in Alzey beauftragt, der einen Entwurf für eine Saalkirche im neugotischen Stil vorlegte. Damit sollte die neue evangelische Kirche sich architektonisch abheben von der im Jahre 1901 im neromanischen Stil erbauten katholischen Nachbarkirche.

Vielleicht war Eduard Langgässer auch inspiriert von der damals im Bau befindlichen Gedächtniskirche zu Speyer, die anlässlich der 375-Jahrfeier der Protestation (auf dem Reichstag zu Speyer 1529) als Hauptkirche der gesamten protestantischen Christenheit als Gegenpart zu dem romanischen Speyerer Dom projektiert war. Auch sie ist im neugotischen Stil erbaut und wurde 1904 eingeweiht.

Der Plan von Langgässer war jedoch für seine Zeit konservativ. In Darmstadt, der Hauptstadt des Großherzogtums Hessen, hatte schon längst der Jugendstil Einzug gehalten.

Eduard Langgässer, aus einer Mainzer jüdischen Familie stammend, war 1897 als Leiter der Kreisbaudirektion nach Alzey berufen worden. Mehrere bedeutende Bauprojekte oblagen seiner Betreuung, u. a. die Landesheil- und Pflegeanstalt (heutige Rheinhessen-Fachklinik). Für seine Verdienste wurde er 1906 mit einem hohen großherzoglich-hessischen Verdienstorden ausgezeichnet. Bald darauf erkrankte er schwer, seinen Dienst konnte er nur noch sporadisch ausüben. Klagen und Beschwerden über seine Amtsführung wurden laut. Eine Amtsenthebung seitens der Kreisverwaltung war schon beschlossene Sache, als Eduard Langgässer am 14.03.1909 verstarb. Seine Familie, besonders seine Tochter Elisabeth litt stark unter den Umständen in diesen Krankheitsjahren ihres Vaters. In der Todesanzeige lesen wir: „Blumenspenden und Kondolenzbesuche dankend verbeten“. Dazu wurde ein falscher Termin für die Trauerfeier in der Anzeige veröffentlicht, um die Bürger Alzeys von der Teilnahme fernzuhalten.

    abgedruckt in Allgemeine Zeitung Alzey 17.06.2015

 

Am 14. Januar 1903 fand das Bauvorhaben der Nacker ev. Kirche Aufnahme im Unterstützungsplan des Gustav-Adolf-Werkes. Schließlich erfolgte am 17. April 1903 die Erlaubnis zur Erbauung durch das Großherzogliche Kreisamt in Alzey. Als Bauplatz konnte man ein Grundstück mitten im Ort neben dem ehemaligen evangelischen Schulhaus von dem damals amtierenden Bürgermeister Philipp Wilhelm Correll IV. käuflich erwerben. So wurden im Juni 1903 die Bauarbeiten begonnen. Durch tatkräftige und freiwillige Mitarbeit der gesamten evangelischen Einwohner, besonders bei der Anfuhr von Steinen (Nacker Sandstein), Ausgrabungen usw. war der Rohbau bereits vor Einbruch des Winters fertig gestellt. Der weitere Ausbau und die Innenausstattung erfolgten im Laufe des Jahres 1904. Der Altar, die Kanzel, die Fenster usw. wurden von Gönnern im In- und Ausland gestiftet.


Die Orgel

Mit dem Neubau der Orgel wurde die Firma Heinrich Bechstein aus Groß-Umstadt beauftragt. Die Orgel kostete damals 2.360 Mark.

Sie hat folgende (romantische) Disposition:

Manual:    C - g2                                                  Pedal: C - d1

Prinzipal 8'                                      Subbass 16'

Gedeckt 8'                                       Pedalkoppel

Salicional 8'

Oktave 4´

Flöte 4´

Die Finanzierung des Kirchenbaues bereitete dem damals amtierenden Kirchenvorstand erhebliche Schwierigkeiten. Die gesamten Baukosten inklusive Orgel und Glocken beliefen sich auf rund 25.000 Mark. Durch freiwillige Spenden wurde der Betrag von rund 3.100 Mark aufgebracht. Durch das Gustav-Adolf-Werk erhielt die Gemeinde eine erste Zuwendung von 900 Mark und von dem Kirchen- und Schulfonds für Rheinhessen 1.000 Mark. Die verbliebene Restschuld in Höhe von 20.000 Mark musste durch Aufnahme von Darlehen bei der Hessischen Landeshypothekenbank in Darmstadt gedeckt werden. Das Gustav-Adolf-Werk wies von 1903 bis 1920 der Gemeinde insgesamt 10.140,- Mark zur Deckung der Unkosten zu.

Die Einweihung der Kirche erfolgte am 04. Oktober 1904 in einem feierlichen Festgottesdienst durch den Prälat Dr. Walz aus Darmstadt.

Das neue Kirchengebäude beflügelte das Gemeindeleben in Nack. So bildete sich z.B. 1907 ein Männerkirchengesangverein.

Den I. Weltkrieg hat die Kirche heil überstanden, jedoch der II. Weltkrieg ging nicht spurlos an ihr vorüber: Beim Einzug der amerikanischen Truppen am 18./19. März 1945 wurde die Kirche durch Beschuss sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Besonders wurden hierbei das Dach und der Turm, sowie sämtliche Fenster durch Artillerietreffer beschädigt. Dazu wurde die einzig noch verbliebene Glocke durch ein Geschoss zerstört, beim Herabfallen dann vollends zerstückelt. Trotz dieser Beschädigungen des Kirchengebäudes in den letzten Wochen des II. Weltkrieges fanden die Gottesdienste weiter in der Kirche statt, sogar im Winter 1945/46. Der damals amtierende Pfarrer Siegfried Unverzagt (Wendelsheim) schreibt in der Pfarrchronik: „Und dennoch: sie kamen alle regelmäßig, diese Nacker. Dieses Lob muss ihnen hier ausgesprochen werden. Und die Kirche in Nack war voller, zumindesten ebenso gut besetzt als das geheizte Sälchen in Wendelsheim“.

Im Jahre 1949 konnten die Schäden des II. Weltkrieges beseitigt werden; weitere Renovierungen erfolgten in den Jahren 1954, anlässlich der 50-Jahrfeier, 1977 und 1992, die Einfriedung und die Zuwegung wurden im Herbst 2003 / Frühjahr 2004 umfassend saniert.

Im Jahre 1995 entschloss sich der Kirchenvorstand zur künstlerischen Ausgestaltung der Kanzelrückwand. Unter dem Thema des Satzes Jesu aus der Bergpredigt ,,Liebet eure Feinde“ hat Holzgestalter Johannes Führ aus Bechenheim ein Kunstwerk geschaffen, das immer wieder neu zur Versöhnung aufruft:

Die linke Figur in dunklem Holz ist eine von Aggression getriebene Person, das Gesicht ist zu einer Maske seiner selbst verzerrt, die Hände zu Fäusten geballt. Die Figur rechts daneben wirkt durch das helle Holz freundlich, die offenen Hände laden zur Versöhnung und zur Annahme ein, gemäß dem Satz aus Römer 15,7:
"Nehmet einander an, so wie Christus euch angenommen hat.“ Der Gesichts- und Gemütsausdruck dieser Person ist offen, freundlich und einladend.

Rechts neben der Kanzel tritt eine Figur reliefartig wie aus einer Wand hervor. Ist es eine Person, die dem Geschehen der Entfeindung und Versöhnung skeptisch gegenübersteht, die sich verschanzt hinter einer Fassade und sich dem Geschehen abwendet? Ist es die Verkörperung mancher Zeitgenossen, die Gottes Wort nicht zu sehr an sich heranlassen wollen, weil es unser Verhalten und unser Tun immer auch in Frage stellt? Der Künstler hat hier Raum für eigene Interpretationen geöffnet.

Das Kreuz auf dem Altar, aus verschiedenen Hölzern verschiedener Größe zusammengesetzt, verkörpert die versöhnte Vielfalt in und unter dem Kreuz Christi: Gemeinde Jesu Christi setzt sich immer zusammen aus Menschen mit verschiedener Herkunft, verschiedenem Alter und verschiedenen Charakteren, die sich aber im Hören auf Gottes Wort und im Glauben an seine Liebe verbunden und versöhnt weiß. Diese Darstellung möge den Besuchern der Kirche stets vor Augen halten, dass christlicher Glaube sich in der Bereitschaft zur Umkehr und Versöhnung offenbart und die Liebe Christi den Frieden wagt und damit neue Lebensmöglichkeiten schafft.


Die Glocken

Bei der Erbauung der Kirche wurden zwei Glocken aufgehängt, die von der Firma Johann Georg Pfeiffer geliefert wurden. Sie waren in den Tönen b ´´ und d ´´ gestimmt. Die größere Glocke wurde im Jahre 1917 während des I. Weltkrieges beschlagnahmt und musste abgeliefert werden.

Erst im Jahre 1926 konnte eine neue Ersatzglocke beschafft werden, die ebenfalls von der Glockengießerei Johann Georg Pfeiffer in Kaiserslautern gegossen wurde. Auch diese Glocke war wieder in b´´ gestimmt, hatte aber ein größeres Gewicht. Sie trug die Inschrift: ,,Nach Krieg und Leid und harter Zeit ruf uns erneut zur Seligkeit“.

Allerdings konnte auch diese Glocke nur 17 Jahre lang ihren Dienst verrichten. Während des II. Weltkrieges musste sie im Jahre 1943 für Kriegszwecke abgegeben werden. Die verbliebene kleine Glocke wurde dann, wie schon erwähnt, im Jahre 1945 durch Beschuss zertrümmert. Aus den übrig gebliebenen Resten wurde 1948 von einer Stuttgarter Firma ein kleines Glöckchen mit 140 kg Gewicht gegossen.

Im Blick auf die 50-Jahrfeier der Kirche kam allerdings der Wunsch nach einem neuen Geläut auf. So wurden am 29. Mai 1954 bei der Firma Rincker in Sinn/Dillkreis zwei neue Glocken gegossen. Sie erklingen in den Tönen g" und b" und sind abgestimmt auf das Geläut der benachbarten katholischen Schwesterkirche. Die große Glocke wiegt 550 kg und trägt folgende Inschrift: ,,Christus spricht: Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Zum Gedenken der Gefallenen und Toten. - Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde Nack“.

Die kleine Glocke wiegt 350 kg und trägt die Inschrift: ,,Christus spricht: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. - Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde Nack“.

Bei der Lieferung wurde die im Jahre 1948 aus Bruchstücken gegossene Glocke eingetauscht. Die Einweihung der Glocken war verbunden mit der 50-Jahrfeier der Kirche und fand am Sonntag, dem 13. Juni 1954 statt. Die Indienststellung nahm der damalige Kirchenpräsident D. Martin Niemöller, Darmstadt, vor.

Im Jahre 2004 feierte die Ev. Gemeinde das 100-jährige Bestehen ihres Gotteshauses. Konzert- und Vortragsveranstaltungen sowie festliche Gottesdienste unterstrichen die Bedeutung dieses Jubiläums. Höhepunkt war ein Festgottesdienst am 13. Juni 2004 mit dem Propst für Rheinhessen, Dr. Klaus-Volker Schütz, verbunden mit dem 50. Jahrestages der Wiederkehr der Glockeneinweihung und der Indienststellung eines neuen Taufsteins, der ebenfalls von dem Bechenheimer Holzgestalter Johannes Führ geschaffen wurde.

Der Wunsch des damaligen Gemeindepfarrers Ernst Betten in der Festschrift zur 50-Jahrfeier gilt auch heute noch:
„Es ist zu hoffen, dass unser schönes Gotteshaus noch in vielen langen Friedensjahren seinem Zwecke dient, für den es gebaut wurde, zum Segen der Gemeinde.“

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